Die Sanierungspflicht – ein Kommentar

Meinung – Das EU-Parlament hat eine wegweisende Entscheidung in Sachen Klimaschutz getroffen: Es soll eine EU-Sanierungspflicht geben. Es wird sicherlich dauern, bis sie Gesetz wird. Das Parlament muss zunächst mit der EU-Kommision und dem Rat die endgültige Form aushandeln, danach haben die Regierungen aller EU-Staaten die entscheidenden Stimmen. Experten sind sich aber einig: Die Sanierungspflicht wird kommen.

Künftig sollen Immobilien in Energieeffizienzklassen eingeteilt werden, so wie das derzeit schon bei Waschmaschinen oder Kühlschränken passiert. Die Klassen von „A“ bis „G“ bedeuten dabei: „A“ entspricht einem Null-Energie-Haus, „G“ steht für die schlechtesten 15 Prozent eines Landes. Für die Ermittlung wird der Endenergiewert herangezogen: Wie viel Energie verbraucht die Immobilie pro Jahr (kWh/m² Nutzfläche)?

Bis 2030, so sieht es das EU-Parlament vor, sollen alle Gebäude mit Klasse „G“ und „F“ mindestens auf Klasse „E“ gebracht werden. Bis 2033 müssen dann alle Gebäude die Energieeffizienzklasse „D“ erfüllen. Ein ehrgeiziges Ziel. Der Endenergiewert kann hierbei auf verschiedene Wege verbessert werden: Bessere Dämmung, effiziente, nicht fossile Heizungen: Hauptsache, der Endenergiewert geht nach unten. 

Grundsätzlich ist die Richtung nicht verkehrt. Der Gebäudesektor ist für rund ein Viertel aller CO2-Emissionen verantwortlich. Auch der Fokus auf Bestandsimmobilien scheint der richtige zu sein, schließlich machen Neubauten in Deutschland nur etwa ein Prozent des Immobiliensektors aus. Und auch die Idee, erstmalig soziale Sicherheitstandards in einem Gesetz zu verankern, ist großartig. Es soll sowohl Begrenzungen für Mieterhöhungen geben als auch Hilfen gegen Energiearmut. 

Mit Blick in die Praxis allerdings fürchte ich Probleme. Auf Druck folgt immer Gegendruck. Eine Pflicht motiviert immer dazu, Schlupflöcher zu finden. Der Weg, Vermieter durch Argumente und Fördergelder zur Sanierung zu bewegen, scheint mir diesbezüglich attraktiver. Große Sorgen macht mir auch die Belastbarkeit unseres – und das sage ich stolz und überzeugt – ausgezeichneten Handwerkerstamms, mit dem wir zusammenarbeiten dürfen. Das Handwerk hat bereits jetzt ein massives Fachkräfte- und Nachwuchsproblem. Viele Betriebe arbeiten an der obersten Belastungsgrenze. Wenn der Druck auf Eigentümer wächst, wird das weitergereicht an die Handwerksbetriebe. Doch wo Personal und Material fehlt: Wie sollen Aufträge abgearbeitet werden? Das geht zwangsläufig zu Lasten der menschlichen Ressourcen und damit auch zu Lasten der Qualität. 

Abgesehen von eventuellen Liquiditätsengpässen bei den Eigentümern: Wer eine Immobilie vermietet, tut dies meist nicht aus Nächstenliebe, sondern mit einem wirtschaftlichen Ziel. Wenn die Ausgaben steigen, müssen auch die Einnahmen mehr werden. Trotz der sozialen Sicherheitsstandards wird es also Mietpreissteigerungen geben. Dass im Gegenzug bestenfalls die Nebenkosten sinken, ist sicher ein Trost, aber kein Ausgleich. 

Mein Fazit: Der Weg scheint richtig, die Umsetzung wird spannend. Sehr spannend.

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